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Interview – Typ 2

Einen aktuellen Beitrag in Zeiten von Corona kann man hier lesen.

Das Basisdilemma der Imagetypen, dass einfach Dazusein nicht ausreicht, um geliebt zu werden, löst Typ 2, indem er seine Bedürfnisse ignoriert und sich auf die Befriedigung der Bedüfnisse der anderen konzentriert. Hochintuitiv auf die Bedürfnislage anderer Menschen verwandelt auch sie sich in etwas anderes als das, was sie ist : in die Erfüllung der Bedürfnisse des anderen. Vorsicht: dieser Tyus kann leicht mit Typ Nr.9 verwechselt werden. In einer Gruppe von Menschen verschmelzen Neunen im Grunde mit allen Bedürfnissen und Positionen aller Anwesenden, wohingegen Zweien sich meist auf eine wichtige Person konzentrieren, deren Liebe sie haben wollen.

Die mündliche Tradition

Eingeleitet wird ein Interview nach der mündlichen Tradition typischerweise mit einer kurzen Geschichte (aus dem Leben) dieses Typs. Die Geschichten stammen aus der Feder eines Vertreters/Vetreterin dieses Typs,  sind also „typisch“. Deshalb kann es durchaus sein, dass manche Themen / Situationen Sie als Leser (überhaupt) nicht ansprechen  vielleicht sogar Verwunderung auslösen. Beim Lesen des Interviews „klärt“ sich das für Sie als Leser vielleicht auf.

Die Geschichte

Richte Deine Aufmerksamkeit auf Deinen Atem im Bauchraum.
Stell Dir nun vor, du sitzt in Deiner Wohnung, fühlst Dich bedrückt. Du hast den Wunsch, mit jemandem über Dein Problem zu sprechen.
Du rufst eine Freundin an und fragst, ob sie Lust hat, sich mit Dir zu treffen. Die Freundin sagt zu, du bist erleichtert, es tut gut. In Deinem Herzen spürst Du die wohltuende Vorfreude.
Nun kommt Deine Freundin. Du siehst sie, Deine Aufmerksamkeit geht automatisch von Dir weg auf sie hin. Du bist immer noch auf der Ebene des Herzens, nun aber nach außen gewandt. Und Du fragst:“ Wie geht es Dir ? “ und Deine Aufmerksamkeit richtet sich auf die Bedürfnisse der Freundin. Sie beginnt zu erzählen, und Deine eigenen Probleme beginnen kleiner zu werden. Du spürst sehr gut, was sie braucht, und fühlst Dich gut darüber, daß sie sich öffnet und sich Dir anvertraut. Für Deine eigenen Probleme ist kein Raum mehr. Sie verlieren an Bedeutung. Aber es hat gut getan, ihr zu helfen.

Das Interview

Irgendetwas, das Dir vertraut erscheint in dieser Geschichte?
Mir erscheint sehr vertraut, dass ich meine eigenen Anliegen, das, was mir selbst wichtig ist, vergesse, wenn andere Personen anwesend sind. Was mich selbst beschäftigt, tritt total in den Hintergrund, wird überschwemmt von dem, was ein anderer mitbringt. Meine Aufmerksamkeit geht dann automatisch auf das, was den anderen interessiert, und es ganz schwer, meine eigenen Themen einzubringen. Ich merke das erst dann, wenn der Kontakt vorbei ist oder wenn der Tag vorbei ist mit den vielen Leuten, die man trifft, und abends fällt es mir plötzlich ein: das wollte ich eigentlich. Und den ganzen Tag habe ich das vergessen, ich denke da überhaupt nicht mehr dran.

Es fällt Dir leichter, Kontakt zu Dir zu bekommen, wenn Du alleine bist?
Ich kann es fast nur, wenn ich alleine bin, außer die andere Person hat wirklich Interesse für mich. Und auch da ist es eigentlich wieder so, dass ich dann auf das Bedürfnis der anderen Person reagiere, etwas über mich zu erfahren. Dann kann ich das.

Du erfüllst dann sozusagen das Bedürfnis der anderen Person, etwas über Dich zu erfahren und nur so kommst Du mit Dir selbst in Kontakt?
Auch dann ist es manchmal noch schwer, etwas über mich mitzuteilen, weil es dann frisiert ist, ausgewählt nach Themen, die dann der anderen Person gefallen. Es würde mir schwerfallen, die andere Person zu langweilen.

Du erzählst dann nicht unbedingt wirklich, was Dich bedrückt, was in Dir vorgeht, oder was Dir wichtig ist, sondern etwas, das den anderen interessieren könnte?
Bei dem Wort „wirklich “ wird es schon schwierig. Wenn ich etwas erzählt habe, frage ich mich oft hinterher, ob das wahr war oder wieder nur die Hälfte. Was wirklich in mir ist, ist ganz schwer. Es ist immer ein Stück mit dabei, was den anderen gefällt und was sie hören möchten. Auch was mir selbst gefällt, das ist vermischt sich mit dem, was ich glaube, was gefällig ist.

Wenn wir Dich fragen “ Was geht wirklich in Dir vor „, was geht dann wirklich in Dir vor?
Manchmal habe ich den Eindruck, in mir geht nicht so viel vor. Das ist oft so weit weg, dass ich es dann selbst nicht mehr weiß.

Du vergisst Dich selbst, Deine eigenen Bedürfnisse, Deine eigene Wirklichkeit und würdest etwas präsentieren, was vor Dir selbst gut dasteht, oder was für den anderen gefällig ist?
Aber relativ spontan, ich überlege mir das nicht vorher, es ist nicht ausgedacht, sondern das entsteht einfach in mir.

Woher weißt Du, was einem anderen gefällt?
Ich checke das ab durch die Reaktion des Gegenübers. Ich spüre irgendwie, ob jemand auf etwas anspringt oder nicht. Ich weiß nicht genau, woran ich das messe. Ich glaube, es ist eine Art von Energie, die ich spüre, ob irgendwas läuft oder nicht läuft. Ich merke es oft daran, dass ich ein und dasselbe Thema unterschiedlich darstelle, je nachdem, mit wem ich das bespreche, leicht verändert. Mit anderen Worten, anderer Betonung, einer anderen Wichtigkeit, einer anderen Zielsetzung. Jedes Thema ist so vielschichtig, daß man sich daraus das herauspicken kann, was auf den anderen paßt.

Du akzentuierst ein Thema, je nachdem, was dem anderen wichtig ist?
Es ist nie wirklich gelogen, aber es immer so wie ein bisschen frisiert, wie geschminkt.

Wir sagen ja von den Zweien, dass Ihr unterschiedlichen Leuten unterschiedliche Bilder von Euch vermittelt. Ist es das?
Ja, genau.

Warum machst Du das?
Die Absicht ist, mit dem anderen zusammenzusein, sich nicht als eigene Person abzugrenzen und im und durch den anderen Lebendigkeit zu spüren. Beziehung ist wichtig, Kontakt, Nähe mit dem anderen, und nicht weit auf Distanz zu gehen. Ich werde dann lebendig und es fühlt sich irgendwie auch sicher an.

Und wenn Du Distanz hättest oder für Dich wärst ….?
Dann…ich weiß nicht genau…. dann ist das alles plötzlich nicht mehr wichtig. Es ist für mich fast gar nicht möglich, ein Thema wichtiger zu finden als diese Person. Die Person hat immer Top-Priorität und dann ist mir das Thema irgendwie unwichtig. Es ist mir gefühlsmäßig unverständlich, wie ein Thema oder eine Ãœberzeugung so wichtig sein kann. Inhalte, Worte, Diskussionen haben für mich eine andere Funktion wie für andere Menschen.

Diese Funktion der Bindung, des Kontakt Habens, des Nahekommens?
Im Grunde ist es egal, was gesprochen wird, Hauptsache es bietet Beziehung. Ob man sich über das Wetter unterhält oder über Psychologie oder das Enneagramm, oder weiß der Kuckuck, ist egal, die Beziehung hat Vorrang.

Wie machst Du dich unersetzlich?
Ich baue mich so sehr in das Leben der anderen mit ein, dass die meine Hilfe und Sorge einfordern. Zum Beispiel mit den Kindern ist es so: da gibt es das Ritual des zu Bett Bringens und das fordern sie dann auch ein.

Dein Tag besteht wohl dann aus Wünschen und Forderungen an Dich?
Ja, aus Forderungen, die ich aber zum Teil selbst baue, indem ich Dinge für andere tue, an die die sich dann gewöhnen und die sie dann auch einfordern, weil ich alles auch so gestalte, dass es ihnen gefällt. Ich fühle mich dadurch natürlich zwischendurch auch belastet, dann kriege ich meinen Drang nach Freiheit und will nichts mehr wissen von dem allem, aber erstmal baue ich das auf, um wichtig zu sein, um eingebunden zu sein in das Leben. Und um für das Leben Energie zu haben. Für mich selbst, da habe ich nicht so viel Energie.

Die Wünsche und Forderungen der Menschen geben Dir eher Energie, als dass sie Energie kosten?
Ja, das bringt mich zum Laufen. Ich kann völlig schlapp und müde irgendwo rumhängen und dann kommt irgendjemand und will was, dann bin ich hellwach. Wie wenn da Energie überspringt.

Wie wichtig ist Dir Anerkennung?
Da würde ich immer zuerst sagen: “ Es ist mir nicht so wichtig „. Das stimmt aber nicht. Ich merke das daran, wenn ich kritisiert werde. Wenn ich merke, dass jemand etwas an mir schlecht findet, dann setze ich alles mögliche in Bewegung, um diese Meinung wieder umzudrehen. Anerkennung und Akzeptiertwerden ist irgendwie für mich der Normalfall, weil ich ja so viel tue für andere. Wenn das kommt, nehme ich das eher für selbstverständlich. Wenn es nicht kommt, werde ich ärgerlich. Ich finde das dann ungerecht und blöd und kann dann auch mal auf jemanden schimpfen. Oder aber ich versuche, es wieder gut zu machen, um diese Anerkennung zurückzuerhalten, um mich anerkannt zu fühlen.

Wie wichtig ist Dir die Dankbarkeit der anderen?
Nicht so sehr Dankbarkeit. Wichtig ist mir eher zu wissen, dass ich gefragt bin, dass ich nicht übersehen werde, daß ich irgendwie eine Rolle im Leben des anderen spiele. Ein Dank fühlt sich außerdem eher so an wie ein Abschluß, wie wenn man sich für irgendeine Tätigkeit bedanken würde, Danke und Tschüß, obwohl ich doch hoffte, in Deinem Leben eine fortgesetzte Rolle zu spielen. Außerdem ist mit inzwischen auch sehr wohl bewußt, daß ich das auch für mich selbst tue. Also gedankt zu bekommen, das schüttelt mich ein bißchen.

Wie ist es für Dich, von anderen Menschen etwas zu bekommen?
Das war früher sicherlich schwieriger, heute ist es nicht mehr so schwierig. Aber es war ein Prozeß dahin. Jemand anderen für mich etwas tun zu lassen und darauf zu vertrauen, daß er mir etwas Gutes tut, nicht immer alles selbst in die Hand nehmen zu wollen, das war ein Prozeß. Ich mache lieber alles selbst.

Warum? Was ist der Hintergrund davon?
Früher hätte ich gesagt, daß ich nicht darauf vertraut habe, dass sich irgendjemand um mich auch kümmern will. Inzwischen denke ich auch, um die anderen so ein Stück in der Unselbstständigkeit zu lassen, um selbst wichtig zu sein und zu bleiben. Wir nennen die Nr. 2 auch den/die HelferIn.

Kannst du etwas zum Stichwort “ Helfen „sagen?
Helfen bedeutet für mich einzuspringen, wenn irgendwo Not am Mann ist. Wenn zum Beispiel an meiner Arbeitsstelle jemand ausfällt, springe ich dann schon mal ein, das ist recht leicht, es fühlt sich für mich an wie ein Sog: da kommt jemand mit einem Anliegen, einem Bedürfnis oder einem Problem. Anstatt es dann so zu regeln, dass die anderen es unter sich ausmachen, springe ich lieber selbst hinein und tue Dinge, die eigentlich gar nicht unbedingt mein Job sind. Ich mache das aber, um den anderen zu helfen und beizustehen. Es ist dann auch für mich schwierig, Nein zu sagen. Nein zu sagen, wenn jemand etwas von mir will, das ist furchtbar. Obwohl ich oft lange vorher weiß, dass ich das eigentlich nicht will, muß ich mir immer wieder vorher “ Nein “ vorsagen, damit ich dann wirklich auch Nein sagen kann.

Was ist die Befürchtung?
An der Oberfläche ist die Befürchtung, es anderen nicht recht zu machen. Ich denke immer, ich müßte es anderen recht machen und es fühlt sich wie Schuld an, es jemandem nicht recht zu machen. Die darunterliegende Befürchtung ist sicherlich auch, daß, wenn ich gefragt bin, etwas zu tun, und es dann ablehne, daß ich nicht mehr gefragt werden würde, daß ich ein für alle Mal out bin.

Das klingt wie eine Kette: “ Ich sage Nein — ich werde nicht mehr gefragt — ich bin nicht mehr gefragt— und damit ist auch irgendwie der zentrale Grund für mein Dasein in Frage gestellt?
Wenn ich mich nicht bemühe, dann vergißt mich die Welt. Ich verliere irgendwie den Boden unter den Füßen . Es fühlt sich dann gleich an wie ewige Einsamkeit, schon bei ganz kleinen Dingen. Es fühlt sich auch an, als dürfte ich das nicht, als hätte ich da kein Recht dazu einfach zu sagen“ ich will das nicht, das interessiert mich gar nicht “ .

Du hast vorhin das Wort “ Freiheit „. Welche Rolle spielt Freiheitsdrang in Deinem Leben?
Das kommt, wenn ich mich völlig überlastet fühle, wenn ich mir soviel aufgeladen habe, daß nichts mehr funktioniert, weil der Tag so viele Stunden nicht hat. Dann kommt so ein Gefühl wie “ Ich will von Euch allen nichts mehr wissen, ich will Euch nicht mehr sehen, will nichts mehr hören, ich will nur noch machen was ich will.“

Das kann dann eine gewisse Schärfe bekommen und von außen paradoxerweise so aussehen, wie wenn außer Deinen Bedürfnissen gar nichts mehr zählt ( Stressrichtung Nr. 8).
Es ist dann irgendwie gegen die anderen gerichtet. Manchmal tue ich dann abstruse Dinge, wie urplötzlich im Winter reiten zu gehen und mir eine Lungenentzündung zu holen. Ich meine dann, dass ich unbedingt meinen Willen durchdrücken müßte, auch wenn eigentlich klar ist, daß es Unsinn ist oder jeder dagegen ist. Das muß dann einfach sein. Und dabei übergehe ich auch meine eigenen subtileren Bedürfnisse. Es ist dann so :“ Und das will ich nicht, und das will ich nicht, und ich wollte das überhaupt noch nie und jetzt mache ich nur noch, was ich will.“ Und das kriegt dann jeder ab, der überhaupt nur in meine Nähe kommt.

Es bekommt so eine Schärfe, weil ich nicht in Kontakt mit meinen Bedürfnissen und gleichzeitig in Verbindung mit den anderen Menschen bleiben kann. Ich muß mich dann völlig abschneiden von der Beziehung und das Gefühl von Bindung völlig ausblenden, und das wirkt dann recht krass und im Widerspruch zu meinem sonstigen Verhalten. Es hält auch nicht lange an, weil dann die Panik kommt: “ Oh je, jetzt habe ich Dich verletzt, mich unmöglich benommen, jetzt wollen die mich nicht mehr“ .

Welche Bedeutung haben Gefühle für Dich?
Sie entscheiden über mein Leben.

Wie ist das zu verstehen?
Gefühle, da meine ich nicht nur zwischenmenschliche Gefühle, sondern einfach auch, was ich für ein Gefühl zu einer Tätigkeit habe. Heute hatte ich zum Beispiel einen freien Tag, da hatten wir ein Picknick geplant, und ich hatte so ein Gefühl :“ Ich mach´ das „. Es war völlig unvernünftig, weil ein Gewitter am Himmel war, aber es war klar, nach meinem Gefühl wird das jetzt gemacht. Da nützt es nichts, irgendwelche vernünftigen Argumente zu haben, sondern das Gefühl entscheidet. Ich will auch keine Planung, sondern alles möglichst chaotisch haben, damit ich nach meinem Gefühl gehen kann. Meine Entscheidungen laufen nach Gefühl, wie ich grad drauf bin. Einen Plan zu verwirklichen, wenn mir meine Stimmung dazwischenkommt, das läuft nicht. Und ich habe die Vorstellung, daß mein Gefühl nie fehl geht.

Steuern wir mal die “ dunkle Seite “ an und sprechen über Schmeichelei und Stolz, die Fixierungen der Nr.2. Könntest Du dazu etwas sagen?
Schmeichelei hat damit zu tun, es dem anderen Recht zu machen und gefällig zu sein. Das hat nicht so sehr damit zu tun, daß man den anderen lobt, wie toll man den findet. Ich stelle mich vielmehr mit meinen Themen auf den anderen ein und schmeichle somit seiner Welt.

Du stellst Dich auf die Welt des Gegenübers ein und dadurch fühlt er/sie sich gut?
Genau, dadurch fühlen sich die Leute bestätigt und geschmeichelt. Und ich sehe oft die negative Seite von Menschen nicht. Ich bin da auf eine Art sehr naiv. Ich sehe die Seite, die mich fasziniert. Es gibt immer irgendetwas. Mißtrauen dagegen ist mir ziemlich fremd. Ich schmeichle eher den Leuten mit meiner gesamten Einstellung und blende da einen Teil aus.

Und würdest Du das mit jeder Person machen, die du triffst?
Wenn ich eng mit jemandem im Kontakt bin, zu zweit, da mache ich das, glaube ich, fast mit jedem. In einer Gruppe ist das anders. Da suche ich mir die aus, die nach meinem Gefühl zu mir passen oder mir gefallen.Und dann kann ich auch, um mich dieser Gruppe, die mir gefällt, angeschlossen zu fühlen, von anderen eher abgrenzen.

Es käme Dir also nicht darauf an, dass die ganze Gruppe sich wohlfühlt, im Gegensatz zur Nr. 9?
Nein. Es sind immer Einzelne, zu denen mir der Kontakt wichtig ist. Bei anderen kann es sein, dass ich sie gar nicht bemerke. Die fallen dann so ein bißchen neben herunter. Die sehen mich dann als arrogant und unnahbar, das bin ich dann auch, glaube ich. Meine Aufmerksamkeit geht nicht überall hin.

Wie bist Du stolz?
Viele sagen mir, ich wirke arrogant und hochnäsig. Ich glaube, das gehört mit zu diesem Stolz, so durch die Welt zu laufen: “ Mir kann niemand was, ich krieg das alles hin, ich kann es besser und schneller als die anderen.“

Liegt Stolz auch in der Fähigkeit, anderer Leute Bedürfnisse zu erfüllen?
Stolz hat damit zu tun, gebraucht zu werden, gefragt zu sein, mich selbst geschmeichelt zu fühlen, wenn andere etwas von mir wollen. Früher hatte es außerdem den Aspekt mit Männern, daß ich mir sicher war, es hinzukriegen, daß die eine Beziehung zu mir wollten. Oder auf andere so eingehen zu können, daß die unweigerlich gut von mir denken, mich für kompetent halten, für vertrauenswürdig und all solche Sachen. Daß ich in einem guten Licht dastehen kann. Das macht stolz.

Ein anderer Aspekt von Stolz könnte aufkommen, wenn Du fragen mußt, wenn Du etwas brauchst für Dich. Wie bist du dann?
Das würde ich nicht tun. Dann müßte ich zugeben, dass ich irgendetwas selber nicht hinkriege. Ein häufiger Spruch von mir früher war: „Ich brauch´ Dich nicht, bleib da, aber ich brauch´ Dich nicht“. Ich bin zu stolz, auch was zu kriegen. Ich habe auch manchmal ein bißchen ein “ Prinzessin auf der Erbse“ – Gehabe. Einerseits tu ich in einer engen Beziehung sehr viel für Dich, aber dann geh auch achtungsvoll mit mir um. Es geht mir nicht um ein Gefühl von Dankbarkeit, aber ich will so ein bißchen wie eine Prinzessin behandelt werden. Ich die größere und der andere der kleinere.

Wie spielen einige dieser Themen in Partnerschaften hinein?
Das Thema, dass Bedürfnisse von anderen einen hohen Wert bekommen, kann für die Partnerschaft ziemlich schwierig werden , weil jeder, der kommt, diesen Wert bekommt, nur der eigene Partner bekommt oft diesen Wert nicht, weil er ja schon da ist. Sobald ich zu jemandem einen vertrauensvollen Kontakt habe, mache ich weniger für ihn, und es sieht dann so aus, als wäre er für mich nicht wichtig. Mein Partner sagt mir dann: “ Du läßt mich fallen, du läßt mich einfach plötzlich fallen „.

Diejenigen, zu denen der Kontakt gefährdet ist oder noch nicht sicher ist, bekommen Deine Aufmerksamkeit , während der Partner sich um Dich kümmern soll und dieses Umworbenwerden und Umschmeicheltwerden verliert ?
….. der soll einfach selbstverständlich da sein. Der kriegt plötzlich alle Ansprüche ab, die ich habe und er soll sie Ansprüche auch mehr erraten, ich verrate sie häufig nicht. Natürlich bekomme ich dann das Gefühl :“ Ich komm´ total zu kurz „. Das liegt natürlich daran, daß ich selbst nichts sage und dann denke: “ Du hörst mir ja gar nicht zu, Du interessierst Dich ja gar nicht für mich.“ Und der Hintergrund ist, ich interessiere mich ja für mich selbst nicht und werfe es dann dem anderen vor. Oder ich sage: Du nimmst mich nicht ernst und mein Partner sagt: “ Wie soll ich Dich ernst nehmen, wenn Du mir nichts sagst „. Dann kommt es auch, daß ich von der Beziehung nichts mehr wissen will und mich davon abschneide. Sobald aber die Beziehung so halb den Bach runter ist, dann fängt die Aktivität dafür wieder an. Der andere könnte ja gehen. Dann wird es wieder spannend. Das kann Jahre so gehen.

Wie geht man in der Partnerschaft gut mit Euch um?
In der Partnerschaft ist es mir ganz wichtig, das Gefühl zu bekommen, dass ich gemocht werde, ohne etwas dafür tun zu müssen. Es berührt mich richtig, wenn das einmal passiert, ohne dass ich überhaupt daran gedacht habe. Zum Beispiel, wenn ich am Duschen bin, wenn dann irgendeine Art von Zuneigung kommt, wenn es sich überhaupt nicht auf mein Tun, oder auf mein Zuhören oder was beziehen kann, sondern einfach nur auf mein Dasein.

Wenn Du es nicht hervorgerufen haben kannst ? Man muss Dich sozusagen auf Schleichwegen erwischen, es darf sich nicht auf eine Handlung oder Hilfeleistung oder Schmeichelei von Dir beziehen?
Ja, am besten ist es, wenn ich die Aufmerksamkeit nicht auf dem Anderen hab, und dann kommt plötzlich Zuwendung. Dann bin ich aber meistens erstmal erstaunt, und sage: “ Was soll das jetzt ?“. Ich kann es zuerst nicht annehmen. Aber dann zu bemerken, das passiert jetzt nur, weil es mich gibt, das ist gut, das finde ich schön.

Wichtig ist auch, dass der Partner die Instabilität, dieses Handeln nach Gefühl, heute so und morgen so, nicht überbewertet. Ich mag es, wenn der Partner dann seine Linie weiterfährt, seine Meinung beibehält und sich nicht von meinem Hin-und Her-Schwanken irritieren läßt.

Es ist außerdem wichtig, der Nr. 2 zwischendurch mal die Aktivität abzunehmen und das Bedürfnis äußern, einfach ein paar schöne Stunden mit ihr zu verbringen, wo sich die Zwei ausruhen kann.

Außerdem muß der Partner wissen, daß die Nr. 2 Panik bekommt, wenn man ihr zu nahe kommt. Hinter alle diesem Getue und Gemache für andere steckt nämlich, nicht entdeckt werden zu wollen und es fühlt sich dann ganz furchtbar an, wenn mir jemand zu nahe kommt. Wenn sich jemand aufrichtig für mich interessiert, dann kommt so eine Trotzmauer hoch, da lass ich ihn nicht durch, weil ich entdeckt werden könnte. Weil entdeckt werden könnte, dass ich nichts tauge, daß da nichts dahinter ist, daß es nur ein großes Spiel ist, daß da jemand Kleines und Trauriges dahintersteckt. Manchmal, glaube ich, rutsche ich in Typ Nr.4, in ruhigen und entspannten Situationen. Ich schäme mich dann manchmal so und denke, der andere mag mich ganz sicher nicht. Das Schämen kommt ganz stark. Es könnte entdeckt werden, daß das alles gar nicht so toll ist mit mir.

Derjenige, der Dir wirklich nahe kommt, würde sozusagen Deinen Stolz verletzen, weil er sieht, dass du menschlich bist, nicht alles im Griff hast, dass du nicht nur so toll bist, wie Du dastehen möchtest?
Ja, dass ich schwach bin. Dass ich mich eigentlich nicht stark fühle, sondern dass diese Stärke der Schutz ist. Das ist schwer.

Hat dieses Gefühl etwas mit Demut ( höherer emotionaler Aspekt ) zu tun oder wie würdest Du dieses Wort füllen?
Demut hat für mich etwas damit zu tun, nicht aufgeblasen durch die Gegend zu laufen. Auch damit, die beiden Seiten, was an mir in Ordnung und was nicht in Ordnung ist, zu integrieren. Auch damit, zugeben zu können, daß ich etwas nicht kann. Und hauptsächlich damit, auch solche Lebensereignisse, Gedanken und Gefühle zu sagen, die niemandem imponieren sollen. Sie einfach zu sagen, weil sie da sind.

Wenn Du Gedanken oder Gefühle sagst, weil sie da sind und nicht, weil Du damit Eindruck machen möchtest?
Wenn ich über irgendetwas erzähle, weil es mich gerade beschäftigt, obwohl es niemanden interessiert, niemand danach gefragt hat, einfach so, auch ohne eine besondere Reaktion zu erwarten oder sie mitzusteuern, einfach wegen des Bedürfnisses etwas mitzuteilen. Einfach, weil es aus mir kommt. Es braucht auch keine riesige Wichtigkeit zu haben. In letzter Zeit merke ich, dass ich häufiger als früher einfach mal was erzähle, ohne vorher abgecheckt zu haben, ob es jemanden interessiert, und das fühlt sich ganz neu an. Es fühlt sich so an, als wäre ich da, als würde es mich geben.

Was hat Dir geholfen, an diesen Punkt zu gelangen?
Wichtig ist immer noch, zwischendurch einfach Zeit zu haben, allein zu sein, sodass Dinge, mit denen ich mich beschäftige, die mir was ausmachen, die mich irgendwie bewegen, überhaupt erstmal aufsteigen können. Um dieses Alleinsein kämpfe ich. In diesem Alleinsein kommt dann erst einmal eine Leere, da bin ich orientierungslos, habe keine Ahnung, wo es eigentlich hingeht. Da ist absolut nichts, es ist dumpf, ich sinke dann immer mehr und mehr ab. Dann kommt so langsam eine Traurigkeit, ich weiß überhaupt nicht, wo es langgeht, und ich will vielleicht gar nicht leben. Aber dann irgendwann, wenn es mehr und mehr auf den Grund geht, kommen andere Worte dazu, und dann formulieren sich eigene Gedanken.

Und die willst Du dann mitteilen?
Nein. Es ist vielmehr so, daß sie sich mitteilen und ich mich Ihnen überlasse. Und es ist dann sehr schön, daß ich mich irgendwie überlassen kann.Das ist nicht dramatisch, es ist ganz gewöhnlich. Nichts besonderes. Einfach ohne Absicht. Einfach nur, weil es mich beschäftigt.

Ich würde das für ein Beispiel von “ höherem Willen “ ( höherer mentaler Aspekt ) halten. Nicht ich mache es, sondern es passiert. Und ich folge dem, was passiert. Würdest Du das auch so sehen?
Das Thema “ höherer Wille “ ist schwierig, weil das bei mir ganz schnell in dieses Stolz-Thema hineinschnappt.

Wie könnte man Stolz mit höherem Willen verwechseln?
Das geht wahnsinnig schnell. Ich ertappe mich immer noch dabei. Früher war das ganz schlimm. Da habe ich grandioserweise immer gedacht: “ Ich bin eigentlich kein Mensch, sondern ein Engel „. Irgendwie gehöre ich nicht hierher, ich gehorche einem höheren Willen. Es war eine Form von Stolz.

Ich bin eine Abgesandte Gottes, nicht ganz menschlich?
Nicht ganz gewöhnlich. Und dann hat sich das mit der Zeit gewandelt in : “ Ich folge meinem inneren Kern oder einem inneren Gefühl „, aber das sind verschiedene Verkleidungen derselben Sache, einfach nur anerkanntere Wörter. Ich habe das eine ganze Zeitlang gemacht „, bis ich gemerkt habe, dass ich das wieder nur getan habe, um meinem Stolz zu frönen, dass das nur ein sehr subtiler Trick war. Und deshalb hab ich meine Probleme mit dem “ Höheren Willen „. Ich denke manchmal “ Sei doch einfach nur ein normaler Mensch, dann wird es schon irgendwie klappen“ . Eine Ameise in diesem Haufen zu sein, die Zickzack läuft, verwirrt, ohne genau zu wissen wofür. In diesem “ Ich weiß nicht “ liegt für mich viel.

Was sind gute Entwicklungsrichtungen für Zweien und was könnte ihnen helfen?
Man sollte bemerken, wann man von jemandem gemocht wird. Ich bereue im Nachhinein sehr, das in meinem Leben nicht öfter zugelassen zu haben, zu bemerken, dass ich jemandem wichtig war. Ich habe das oft verpasst, niemandem geglaubt, es nicht richtig angenommen. Ich habe es durch dieses selbst aktiv Sein, alles selbst in die Hand Nehmen oft total verpasst, dass ich eigentlich Zuwendung gekriegt habe.

Es ist auch wichtig zu verstehen, daß man für Zuwendung nicht immer so viel tun muss. Dass man manchmal ganz still sein kann und warten. Und dass es von alleine kommt. Nicht immer natürlich. Es ist so wichtig zu sehen, dass man Zuwendung bekommt, ohne so viel dafür zu tun und das dann nicht in Frage zu stellen oder abzutun. Das geht ja fast so weit, dass man jemanden, der einen mag, dann abwertet, weil er einem in die Falle gegangen ist. Anzunehmen, dass man für jemanden wirklich eine Bedeutung hat, das ist ganz schwer.

Ebenfalls hilfreich ist der Gedanke, dass man nicht so schnell alleine bleibt. Die Welt verlässt einen nicht von heute auf morgen. Man kann darauf vertrauen, dass sie noch da ist, auch wenn man sich einmal für ein paar Tage zurückzieht. Ich muß nicht unentwegt in Kontakt sein, selbst wenn ich mal für mich bin, bleibt die Welt und bleiben die Menschen noch da.