Suche
  • Das Enneagramm kann auch Ihnen Orientierung bieten.
  • 06771-8023295 | info@enneagramm-for-life.de
Suche Menü

Interview – Typ 1

Typ 1 ist ein Bauch- und Wuttypus. Mit der Basiserfahrung, für Fehler kritisiert worden zu sein, bemüht er sich, alles richtig zumachen und ein guter Junge, ein gutes Mädchen zu sein, indem er sich und die Welt nun seinerseits kritisiert, seine Impulse zwar spürt, aber sie immer wieder auf halber Strecke unterdrückt und sich unentwegt fragt: Wie ist das hier richtig ? Wie ist das hier falsch?

Die mündliche Tradition

Eingeleitet wird ein Interview nach der mündlichen Tradition typischerweise mit einer kurzen Geschichte (aus dem Leben) dieses Typs. Die Geschichten stammen aus der Feder eines Vertreters/Vetreterin dieses Typs,  sind also „typisch“. Deshalb kann es durchaus sein, dass manche Themen / Situationen Sie als Leser (überhaupt) nicht ansprechen  vielleicht sogar Verwunderung auslösen. Beim Lesen des Interviews „klärt“ sich das für Sie als Leser vielleicht auf.

Die Geschichte

Ich gehe zu einem neuen Kurs. Ich kenne niemanden da. Ich bin auch nicht sicher, ob ich sie kennen möchte.Was mache ich hier ? Ich verschwende meine Zeit und mein Geld. Ich frage mich, ob sich irgendjemand hier schon mit dem Thema befaßt hat. Ich wette: alle. Sie sind vermutlich bereits Experten auf dem Gebiet. Ich weiß, ich habe das Buch gelesen, aber eigentlich hätte ich es nochmal lesen sollen. Zumindest hätte ich bessere Notizen machen sollen.

Kann ich diesen Lehrstoff jemals lernen? Es gibt so vieles, was gelernt werden muß. Wie soll ich das jemals richtig lernen? Ich frage mich, was ich tun muß, um eine sehr gute Bewertung zu bekommen.
Ich frage mich, wie ich gekleidet sein muß. Sind Jeans in Ordnung? Oh,Oh, er da drüben trägt einen Anzug. Ich frage mich, ob ich nicht besser etwas förmlicher angezogen wäre. Es gibt hier eine Kleiderordnung, nicht wahr? Ah, da ist jemand in Jeans. Gut, so breche zumindest nicht alle Regeln.
Wo sollte ich sitzen? Ich könnte hinten sitzen, wo man mich nicht aufrufen wird. Das wäre gut, ich hasse es nämlich, eine Antwort nicht zu wissen, und dass  die Leute denken, ich wäre blöd. Oder vielleicht sollte ich ganz vorne sitzen, damit ich Fragen stellen kann. Ich muß dieses Material lernen. Es ist wichtig. Aber ich will auch nicht, dass jemand denkt, ich würde drängeln. Manchmal halten sie mich für kritisch, wo ich mich doch nur bemühe, alle Einzelheiten richtig zu stellen und richtig zu verstehen.
Oh, hör Dir diesen Lehrer an. Kaum zu glauben, wie unorganisiert er ist. Er hätte sich besser vorbereiten sollen. Er vergeudet meine Zeit. Ich habe viel Geld für diesen Kurs bezahlt. Er sollte seine Schüler mehr respektieren, indem er sich besser vorbereitet. Da hätte ich ja einen besseren Unterricht gemacht. Vielleicht sollte ich gehen. Das macht mich wirklich ärgerlich.

 

Das Interview

Was war Dir an dieser Geschichte vertraut?
Schon der Anfang war mit vertraut. Wenn ich mich nach kleinerem Hin und Her zu etwas entscheide, dann möchte ich es dann auch richtig und gut machen. Ich überlege mir dann schon im Vorhinein, was ich alles brauche, wie ich mich unter den gegebenen Umständen mit den gegebenen Mitteln vorbereiten kann, z.B. durch Bücherlesen oder, indem ich mich mit jemandem unterhalte, damit ich ein bisschen einen Fundus habe, wenn ich dann dahin gehe, und nicht ganz so blank dastehe.

Und ein bisschen einen Fundus zu haben heißt nicht einfach, einmal ein bisschen ein Buch durchgeblättert zu haben?
Oh nein, es heißt, es aller mindestens gut durchgelesen zu haben, oder auch noch ein zweites gelesen zu haben.

Was ist der Grund dafür?
Wenn ich schon etwas mache und viel Zeit, viel Geld und viel Engagement hineinstecke, dann möchte ich es auch richtig machen.

Es richtig machen wollen, ist das etwas Typisches für die Nr. 1?
Ja, ich denke schon, für mich zumindest schon. Ja, wenn, dann möchte ich es ganz machen und genau machen und möglichst perfekt.

Richtig machen, genau machen, perfekt machen, das scheinst Du bei Dir zu kennen. Woran noch würde jemand merken, dass er oder sie eine Nr. 1 ist?
Daran, dass mir gleich auffällt, wenn etwas unordentlich aussieht, unordentlich ist, oder keine Struktur da ist, das kenne ich häufig, zum Beispiel bei Seminarleitern, wenn einer in einer bestimmten Position ist und unstrukturiert auf mich wirkt.

Welches Gefühl kommt dann hoch, wenn jemand unstrukturiert ist oder nicht so gut vorbereitet erscheint?
Dann kommt schon ein Ärger hoch, ich bin dann ärgerlich. Warum macht er seinen Job nicht besser ?

Der Ärger ist “Warum macht er seinen Job nicht besser”. Gibt es auch einen selbstkritischen Ärger “Warum mache ich meinen Job nicht besser”?
Ja, dieser Ärger steht sogar sehr im Vordergrund. Wenn etwas nicht so läuft bei mir, oder vielleicht mich jemand korrigiert: ” Das hättest Du so und so machen sollen ” , dann ist das fast schon zu viel, weil ich dann merke, dass ich ertappt worden bin. Eigentlich wusste ich es selbst ja schon vorher und dann sagt mir jetzt noch jemand ” Das war nicht in Ordnung , Du hättest es besser machen können “.

Woran könnte jemand noch erkennen, dass er eine Nr. 1 ist?
Wenn ich jetzt von mir aus gehe: Einsen brauchen eine gewisse Struktur und Pläne und eine gewisse Kontrolle darüber. Ich zum Beispiel meine, ich müsste alles mitbekommen und überschauen können. Ich kann es dann auch gut organisieren, zum Beispiel einen Tagesablauf, das gibt für mich dann so einen Anhaltspunkt : das und das mache ich heute. Am Tagesende kann ich dann abhaken, was ich getan habe und das ist für mich sogar ein stückweise Befriedigung.

Das Abhaken “Das ist getan ” ist befriedigend?
Ja. Und die Dinge werden nicht lange aufgeschoben, sondern wenn sie dran sind, werden sie gemacht. Und lieber mache ich sie schon vorher, als dass ich sie auf die lange Bank schiebe, nach dem Motto, was getan ist ist getan, ” Was Du heute kannst besorgen, das verschiebe nicht auf morgen “.

Es muss eine Nr. 1 gewesen sein, die das gesagt hat. Wir haben nun den Ärger und den Groll (mentale und emotionale Fixierung) angesprochen, der Dich begleitet, wenn etwas nicht richtig gelaufen ist, jemand einen Fehler gemacht hat oder Du selbst etwas nicht richtig gemacht hast.
Wenn andere einen Fehler machen oder etwas nicht richtig machen, dann kann ich das zwar bemerken, aber ich kann da sehr schnell verzeihend sein und es ist sogar etwas entlastend zu sehen, anderen geht es auch nicht besser, denen passieren auch Fehler, ist nicht so schlimm, wenn mir auch Fehler passieren.

Woran könnten andere Menschen bemerken, dass ihr Partner eine Nr. 1 ist?
Daran, dass man auf Fehler aufmerksam gemacht wird oder gesagt bekommt ” Da stimmt was nicht “, am korrigiert werden. Auch daran, dass großer Wert auf das Äußere gelegt wird, dass zur entsprechenden Gelegenheit oder zum entsprechenden Zeitpunkt auch das passende angezogen werden muss. Darauf verwendet eine Nr. 1 auch sehr viel Zeit : “Bin ich jetzt richtig angezogen, was ziehe ich morgen in die Schule an?”, das sind Dinge, die viel Platz einnehmen. Daran kann ich Einsen oft erkennen.

Ist die Polarität richtig/ falsch generell von großer Bedeutung für Dich?
Ja, ich ertappe mich immer wieder dabei. Schon in meinem Vokabular ist “richtig” und “falsch” ganz häufig vorhanden. Und oft sage ich zu mir oder anderen ” Das war jetzt richtig so oder gut so “, und gerade bei Entscheidungen ist die Frage ” Ist das richtig oder falsch ” der bestimmende Faktor für die Entscheidung. Ist es zum Beispiel richtig oder falsch nochmals eine Ausbildung zu machen und nochmal Zeit und Geld zu investieren.Und dann zu fragen: “Warum ist das richtig und wie reagiert die Umgebung darauf” , damit ich nicht als jemand dastehe, dem egal ist, was der andere von einem denkt.

Es klingt, wie wenn die Meinung der anderen sehr wichtig wäre?
Früher war das extrem wichtig, heute kann ich da schon lockerer darüber hinwegsehen.

Ich habe gehört, Einser hätten eher eigene innere Standards: zwar scheint mir die Meinung der anderen wichtig zu sein, aber im Grunde sind es meine eigenen Standards, an denen ich messe, ob etwas richtig oder falsch ist?
Es kommt darauf an, auch die Standards der anderen sind ganz schön wichtig und dann geht es in den Vergleich, wo sind meine Standards und welche kriegen eine größere Bedeutung.

Du sagst, Entscheidungen fallen schwer. Das würden Sechsen und Neunen zum Beispiel auch sagen. Wie unterscheiden sich da die Einsen?
Ich denke, eine Nr. 1 weiß schon recht schnell, was sie will. Die Frage ist dann aber immer, ob sie sich das zugesteht, zu tun, was sie will, ob sie es sich erlaubt oder nicht erlaubt.

Das wäre zum Beispiel eine Abgrenzung zur Nr. 9. Der Impuls, etwas zu wollen, ist schon relativ deutlich spürbar, und dann gibt es die Frage, erlaube ich mir das oder verbiete ich mir das. Der Impuls kommt immer so halbwegs hoch und dann wird er abgedeckelt.
Der Impuls ist spontan da, soll ich ein Beispiel nennen ? An Weihnachten hatte ich diesen Impuls, noch eine Ausbildung zur Lehrkraft in meinem Gebiet zu machen. Der Impuls wurde dann immer wichtiger und diese Idee bekam mehr Raum in mir und ich habe mich gefragt : “Warum erst nächstes Jahr und nicht schon in diesem Jahr ?”. Dann habe ich mich informiert und alles angeleiert, was ich dazu brauche, und Gespräche geführt, um meine Entscheidung für Ja oder Nein zu festigen, und dann habe ich auch jemanden gefragt, der die Ausbildung gemacht hat, wie siehst Du das, wie viel Zeit brauche ich dazu, und wie schätzt Du die Qualität der Ausbildung ein, und was nutzt sie und was bringt sie. Und ich habe das dann abgewogen: wie gut kann ich das gebrauchen für meinen Job. Ich habe dann gedacht, für mich ist das im Moment wichtig. Für den Beruf, in dem ich im Moment stecke, brauche ich noch eine pädagogische und psychologische Ausbildung, um meinen Unterricht noch besser zu machen, und dieses Ziel ist jetzt so stark im mir, dass ich Zeit und Geld investiere, dass ich Anderes, auch Privates zurückstecke, um mich an diesem Punkt noch einmal weiterzubilden.

Wir sprachen gerade von inneren Impulsen und sind irgendwie bei dem Impuls, Dich zu verbessern, gelandet.
Das war jetzt typisch. Vom inneren Impuls dazu zu kommen, es gut machen wollen. Ich möchte halt da wo ich jetzt stehe die Arbeit, die ich jetzt tue, so gut wie möglich machen. Das ist der größte Impuls bei Einsen, ein Riesenmotivator. Andere Impulse verblassen dagegen.

Jetzt kommen wir zu einem etwas kompliziert erscheinenden Thema. Wir sagen, die mentale und emotionalen Fixierungen bei Einsern sind Wut und Groll. Aber auch die Vermeidung ist Wut. Wie passt das zusammen?
Schon die Annahme, dass die emotionale Fixierung Wut sein soll, hat mich am Anfang verwirrt. Ich habe eine Zeit gebraucht, um zu verstehen, dass sich das alles um Wut dreht. Am Anfang habe ich gedacht “Wut, das kenne ich überhaupt nicht” . Als ich mich dann näher mit der Materie beschäftigt habe, habe ich schon da und dort bemerkt, dass es Punkte in mir gibt, die ich als Wut oder Ärger bezeichnen kann. Es kommt Ärger hoch, wenn ich bestimmte Vorstellungen von mir oder von anderen habe, was zu tun ist oder wie man sich verhalten soll, und wenn es dann nicht passiert, dann kann ich die Wut kriegen.

Wenn Deine Vorstellungen, wie es richtig zu sein hat, nicht eingehalten werden, dann kriegst Du die Wut?
Ja, oder wenn ich in meiner Freiheit oder dem, was ich möchte, eingeschränkt werde, und jemand mir das ohne plausiblen Grund einfach verkündet, da kommt auch Wut in mir hoch.

Weil Du freiheitsliebend bist oder weil der andere keinen plausiblen Grund hat?
Weil ich freiheitsliebende bin und gerne an mich denke, wie kann ich vorwärts kommen, wie kann ich mich entwickeln, wie kann ich zu meinem Ziel kommen, wie kann ich noch besser werden…

Oberflächlich besehen hat das wieder nicht so sehr mit Trieben, Wünschen, Impulsen und deren Einschränkung zu tun, sondern eher damit, dass Du Dich in Deiner Freiheit gestört fühlst, bis zur Perfektion vorzudringen?
Ja.

Dann wirst Du wütend. Auf einer tieferen Ebene ist es das, was wirklich wütend macht, dass nämlich die Impulse immer verdrängt werden. Und wenn ich das richtig sehe, dann macht es wütend, wenn die anderen mit Dir tun, was Du selbst die ganze Zeit mit Dir tust, nämlich Dich mit guten Gründen oder ohne sie zu stoppen.
Ich strenge mich die ganze Zeit und stoppe mich. Ich nehme meine Impulse zwar wahr, aber drücke sie dann runter. Und wenn andere das von außen dann auch noch tun, dann tut das doppelt weh.

Und wie ist das jetzt zu erklären, dass Wut gleichzeitig die Vermeidung der Nr. 1 ist, wo ihr doch offensichtlich ein tägliches Geschäft mit der Wut habt?
Gute Frage. Meine Antwort darauf ist : ich will diesen Ärger nach außen gar nicht zeigen, weil das eine Sache ist, die mit mir zu tun hat, die ich entweder mit dem Betreffenden ausmache oder mit mir selber ausmachen muss, weil das ja oft nur mich tangiert. Ich denke dann, dass die anderen ja gar nichts dafür können, dass ich einen Groll habe oder ärgerlich bin.

Du hast eine Menge Gedanken, mit denen Du Dir den Groll oder das Zeigen des Grolls ausredest.
Ich rede ihn mir irgendwie aus. Außerdem ist dieser innere Kritiker da, der sagt halt: “Nein, nach außen nicht, mach das mit Dir aus, das darfst Du nicht.” Nach außen hin, da möchte ich schon die Gute sein.

Eine gute, freundliche, nette, richtige Person? (Selbstidealisierung)
Und Ärger passt da nicht dazu. Das hat auch mit der Kindheit zu tun, Ärger durfte nicht sein. Ich bekam immer Anerkennung dafür, wenn ich gut war, wenn ich gute Noten mit nach Hause gebracht hatte, wenn ich das tat, was meine Eltern wollten von mir, und das hat sich fortgesetzt in die Partnerschaft. Nur dann bin ich eine gute Ehefrau, wenn ich tue, was von mir verlangt wird, wenn ich das tue, was normal ist.

Man merkt so die Begeisterung, wenn Du darüber sprichst, etwas zu tun, was richtig ist. Da wirst Du richtig lebendig.
Ja, aber jetzt geh ich schon mal in die andere Richtung und folge einem Impuls, der jetzt kommt, auch wenn der mal die Regel bricht oder auch, wenn ich dann den Erwartungen der anderen nicht entspreche.

Das scheint Deine Entwicklungsrichtung zu sein: “Was passiert, wenn ich meinem Impuls folge, wenn ich gegen die Regeln gehe, die ich womöglich selbst im Kopf habe?”
Wie machen sich die Basisthemen Ärger, Groll, Kritik, Selbstkritik, in der Partnerschaft bemerkbar?

Der Ärger macht sich zum Beispiel durch Liebesentzug bemerkbar. Wenn ich einen Konflikt habe oder mich ärgere, zum Beispiel, weil ich etwas mache, was mir nicht in den Kram passt, oder weil ich spüre, der andere kann mich nicht so annehmen, wie ich bin, dann ziehe ich mich zurück und schmolle. Ich denke, man kann es mir dann am Gesichtsausdruck ansehen. Das Positive ist, dass ich diesen Ärger nie lange aushalte, dass ich dann eher versuche, darüber zu reden und die Dinge vorwärts zu treiben.

Was heißt vorwärts? In Richtung einer vernünftigen Lösung oder in einen emotionalen Ausbruch oder ein reinigendes Gewitter?
Die emotionalen Ausbrüche kommen jetzt schon mal häufiger als früher, weil ich sie mehr erlaube: es darf sein, es gehört auch zu mir. Aber der Kopf schaltet sich sofort ein und versucht, eine praktikable Lösung zu finden.

Was würdest Du Partnern von Einsen raten, wie geht man gut mit Euch um (Pflege von Einserhamstern)?
Wenn ein Fehler passiert ist, dann hilft es nicht, den Zeigefinger in die jetzt schon vorhandene Wunde hineinzulegen, sondern es ist gut, es stehen zu lassen und zu sagen ” es gibt Schlimmeres “.

Es scheint wichtig für den Partner einer Nr. 1 zu sehen, dass der Bereich des Fehlermachens für die Nr. 1 hoch sensibel ist, dass es da für die Nr. 1 eine Menge innere Qual gibt. Wie ist es andererseits gut, mit Eurem Wunsch umzugehen, uns andere zu kritisieren und richtigzustellen?
Das mit unserer Kritik ist doch eigentlich gar nicht so schwierig. Mir scheint, die äußere Kritik ist gar nicht so schlimm ist wie der innere Kritiker, den wir haben, außerdem versuchen wir ja, es in einer freundlichen Form, die in Ordnung ist, auszudrücken.

Trotzdem fühlen sich ja Partner von Einsen oft kritisiert.
Vielleicht ist es wichtig für den Partner zu verstehen, dass es bei unserer Kritik nicht um die Person geht. Ich kann den Menschen als Person gut so stehen lassen wie er ist. Vielleicht nimmt das die Schärfe aus einem Konflikt.

Wir haben schon ein wenig über Entwicklungsrichtungen für die Nr. 1 gesprochen. Es wurde deutlich, dass es viel darum geht, mehr den eigenen Impulsen zu folgen und für sie Unterstützung zu finden. Außerdem darum, dass Du Deinen Emotionen mehr Raum und Ausdruck gibst. Welche weiteren Entwicklungsrichtungen oder Empfehlungen würdest Du Einsen geben ?
Den Ärger, der da ist, mehr nach oben kommen zu lassen, nicht immer wieder gleich den Deckel draufzumachen mit dem Kommentar: ” Das darf nicht sein, dann bist Du nicht mehr die Gute, die anderen mögen Dich dann vielleicht nicht mehr “. Es ist stattdessen wichtig, dazu zu stehen, und sich bei Ärger zu sagen: “So ist das eben jetzt”. Und auch mal zu sagen: ” Ich bin jetzt überfordert, hier kommt meine Grenze. Mal nein zu sagen und mir nicht noch mehr aufzuladen.
Früher, heute auch noch, war sehr bestimmend in meinem Leben, dass ich arbeite und arbeite von morgens bis abends, und es war mir eine große Hilfe, immer wieder einmal Pausen einzuplanen und ganz bewusst nur da zu sein, ohne etwas zu tun, ohne etwas zu arbeiten. Früher habe ich mir erst dann eine Pause gegönnt, wenn alle Arbeit getan war. Jetzt kann ich mich wenigstens mal hinsetzen und ein Buch lesen oder ein Glas Wein trinken und mir mal erlauben, ins Kino zu gehen, das kam früher immer erst ganz am Ende, wenn alle Pflichten erfüllt waren, und das war dann praktisch nie der Fall, weil es ja so viele Pflichten gibt (lacht ). Immer noch eine dreckige Ecke oder einen Wäschekorb, der auf mich wartet.
Ich konnte mich früher auch gar nicht auf einen Urlaub einlassen, das schien mir als vertane Zeit, in der nichts entsteht. Ich habe immer gedacht, wenn ich weg bin, verpasse ich hier was, dann läuft etwas nicht richtig. Heute freue ich mich schon auf den Urlaub, einfach mal raus, statt ständig etwas “Vernünftiges ” zu tun.

In der Anfangszeit, als Du damit experimentiert hast, war das dann nur angenehm, eine Pause zu machen, Urlaub zu machen, etwas sinnlose Zeit zu verbringen?
Der Drang, etwas tun zu müssen, blieb zunächst erhalten: ich habe mir Häkelzeug mitgenommen oder viele Bücher, wobei ich das natürlich nicht nur als Arbeit empfinde, sondern auch als Entspannung, aber es kommt darauf an, welche Art von Literatur. Ich habe früher immer Enneagrammliteratur mitgenommen

Zur eigenen Qual und charakterlichen Verbesserung, nehme ich an?
Jedenfalls merke ich heute, ich möchte mal was ganz anderes lesen und mich mit ganz anderen Dingen beschäftigen. Heute finde ich Spaß daran.

Ich habe von Einsen gehört, bei denen das große Krisen ausgelöst hat,weil die Berechtigung zu leben in Frage gestellt zu werden scheint, wenn man nicht ständig arbeitet und sich selbst und die Umgebung perfektioniert. Welche weiteren Tipps hast Du noch für Einsen, die sich entwickeln. Wo geht´s lang, was kann man tun?
Sich das Wort “Gelassenheit” immer mal wieder zu sagen. Das Wort zu nehmen als eine Orientierung oder Erlaubnis. Ich muss mir das immer wieder sagen : “Sei gelassen” oder “Gelassenheit ist jetzt angesagt”.

Der höhere emotionale Aspekt der Nr. 1 “Gelassenheit” scheint schon vom Wort her eine gute Orientierung zu sein. Ich habe einmal eine Nr. 1 gefragt, was ihr in ihrem Leben am meistens geholfen hat und sie sagte, es war der Satz “Lass es stehen”.
Praktisch besehen auch: ” Lass es liegen “, zum Beispiel im Kinderzimmer, “Lass es liegen und räum´ nicht auf” . Das hab ich gelernt mit meinem Kind.

Wie kann eine Nr.1 das “Stehen lassen ” lernen?
Durch viele Enttäuschungen. Enttäuschungen darüber, dass andere nicht meinen Erwartungen entsprechen wollen, sondern andere Dinge tun wollen. Das geht dann immer wieder auf einen harten Konflikt hinaus. Das ging halt solange, bis ich gemerkt habe, das kostet mich zu viele Nerven, dass ist es mir nicht wert.

Die typischen Konflikte, die durch das Richtigmachen wollen und Richtigstellen wollen in der Partnerschaft entstehen, haben Dich dahin gebracht, die Dinge stehenzulassen?
Ich habe auch die Erfahrung in der Partnerschaft gemacht, dass ich den anderen nicht ändern kann. Ich habe zum Beispiel geglaubt, bei Äußerlichkeiten, “Das kriegen wir schon hin”, aber die Erfahrung war, dass es halt nicht geht. Deshalb habe ich mich schon sehr früh damit beschäftigt, den anderen so sein zu lassen, andere in ihrem So sein so zu lassen.

Wir haben gerade den Begriff der heiteren Gelassenheit angesteuert. Es gibt irgendwie dieses Potential um Euch herum, das anderen spürbar wird. Kannst Du darüber noch ein bisschen sprechen?
So ganz einfach ist das nicht. Es kommt auf die Leute an, die um mich herum sind. Dann kann ich mich anstecken lassen von dieser heiteren Gelassenheit, wobei ich dann immer für mich selbst die Grenze stecke, was gut für mich ist. Auch früher schon, wenn ich weg war, war ich nie bei den letzten, die nach Hause gingen. Ich habe immer für mich gesagt, es ist in Ordnung so, das war jetzt gut, jetzt reicht es, ich muss es jetzt nicht bis zum Exzess ausleben.

Mir scheint, Du assoziierst heitere Gelassenheit mit Exzess? Wenn Du die Dinge stehen lässt, liegen lässt oder liegen lassen kannst, in welche gefühlsmäßige Befindlichkeit kommst Du da?
Wenn ich das schaffe, dann geht es mir gut, dann stimmt es für mich und ich fühle mich dann auch wohl und dann bin ich in einem Zustand, wo ich nicht wütend bin, nicht ärgerlich auf mich, wo ich mich so ganzheitlich spüre.

Das scheint mir mit “heiterer Gelassenheit” gemeint zu sein. Die Befindlichkeit, in die Du kommst, wenn Du die Dinge stehen lässt, wie sie sind. Die Dinge so stehen zu lassen, wie sie sind, ist mit “höherer Perfektion” gemeint. Es ist schon perfekt, bevor ich daran gearbeitet habe.
Schon schwierig, da hineinzukommen.